Ein „Ritt über den Bodensee“

Die erste Redakteurin dieser neuen Sendung war die spätere ORF-Gerneraldirektorin Monika Lindner (2001-2006) - sie erinnert sich an die erste Fernseh-Live-Sendung von LICHT INS DUNKEL im Jahr 1978.
Wie schaffen wir es möglichst rasch und ohne große Kosten, die Radiosendung „Licht ins Dunkel“ von Radio Niederösterreich ins Fernsehen zu transferieren? Denn ein Live-Radioprogramm ist allemal einfacher herzustellen als eine Live- TV-Sendung. Ernst Wolfram Marboe – frisch gebackener FS2 Intendant – war fest entschlossen, dieses Vorhaben durchzuziehen.
Ich war freie Mitarbeiterin und freute mich, dass ich als Redakteurin dabei sein konnte – auch wenn mir anfangs nicht ganz klar war, wie das alles zu bewerkstelligen sei. E. W. Marboe sammelte seine Getreuen um sich: Harald Windisch und Otto Anton Eder, Regisseur, auch Ernst Neuspiel als einer der treuesten Mitarbeiter noch aus dem Landesstudio Niederösterreich – und mit großem Tempo wurde losgelegt, denn die Zeit war knapp. Die Aufgabenstellung war riesig. Programminhaltlich, abwicklungsmäßig und vor allem die Bitte um Spenden und Dank an die Spender. Da man ja keine „Konserven“ abspielen konnte, musste ein Liveprogramm mit Künstlern aus allen Bereichen auf die Beine gestellt werden, die zum Großteil von Ernst Wolfram Marboe persönlich eingeladen wurden.
Monika Lindner ORF/Milenko Badzic
2005: Monika Lindner, ehemalige ORF-Generaldirektorin (2001–2006) sitzt gemeinsam mit einem Gardesoldaten am Spendentelefon.
Und es gab kaum Absagen, die Mitwirkenden aus allen Bereichen waren spontan bereit, um Gottes Lohn ihren Nachmittag vor dem Heiligen Abend der Spendenaktion zugunsten behinderter Kinder zu widmen. Es galt, die Zuseherinnen und Zuseher auf das Thema, das zu dieser Zeit 1978 eigentlich keines war, einzustimmen und vorzubereiten, weil Familien, die davon betroff en waren, scheu und zurückhaltend waren und die Menschen auch nicht wussten, wie am besten mit Behinderten umzugehen war.
Ich wurde beauftragt, kleine Filme („Spots“) in Sollenau, wo sich eine Einrichtung für behinderte Kinder befand, zu drehen. Es war keine leichte Aufgabe und verlangte viel Sensibilität, um die Schicksale und die Situation dieser kleinen Menschen so darzustellen, dass sie nicht diskriminiert wurden, die Zuseher/innen berührt wurden und sich nicht abwendeten. Ich zeigte Kinder mit allen möglichen Behinderungen, um zu illustrieren, dass diese Kinder und ihre Familien die Hilfe der Gesellschaft brauchen, dass man sie mit ihrem Schicksal nicht allein lassen kann. Weiters war meine Aufgabe, einen Sendeablauf herzustellen. Also alle Programmpunkte zusammenzustellen und vor allem für die Technik einen auf die Minute genauen Ablauf zu liefern. Mir zur Seite stand damals die viel zu früh verstorbene Sissy Katzberger, später Mayerhoffer und gegen Ende ihres Lebens selbst Chefi n der Aktion.
Die Mitarbeiter/innen und auch Führungskräfte, vor allem vom anderen Kanal (FS 1), betrachteten unseren Eifer, der sich in die Nächte erstreckte, kopfschüttelnd. Marboe, der die mehrstündige Livesendung gemeinsam mit Christa Stampfer moderierte, lud fast bis zur letzten Minute immer wieder Gäste ein – aus Kultur, Politik, Wirtschaft –, was unsere Nerven strapazierte, denn wir mussten alles in unser Minuten-“Korsett“ einarbeiten. Zusätzlich kostete es uns viel Nerven, Marboe mit seinen Moderationen dazu zu bringen, sich an seine Redezeiten zu halten, was selten genug gelang.
Letztlich mit Hilfe aller – Technik, Programm, Organisation – schafften wir die damals siebenstündige Livesendung über die Bühne zu bringen und es gelang ein für damalige Verhältnisse tolles Spendenergebnis. Den Spenderinnen und Spendern wurde mit Inserts gedankt, die backstage eiligst und mit noch bescheidenen Mitteln auf Sendung gebracht wurden. Alles ohne Probe mit den Darstellern, nur für die Technik und den Stab.
Alles in allem war es “ein Ritt über den Bodensee.“ Was uns allen jedoch am meisten Freude bereitete war, dass es auch über die Jahrzehnte gelang, die Beziehung der Gesellschaft zu Menschen mit „besonderen Bedürfnissen“ zu entkrampfen und zu normalisieren. Neben dem Geld, das die Organisationen für die Betreuung und ihre Arbeit brauchen, ein ganz wichtiges Ergebnis von LICHT INS DUNKEL.