Meinhard Mühlmann

Der Weg zum Einfamilienhaus in der Umgebung von Eisenstadt ist noch nicht gepflastert, was einmal ein Garten werden soll, schaut noch aus wie ein Acker. Aber sonst ist alles fertig: Der Traum der jungen Familie, ihr Einfamilienhaus, steht. Weihnachtsschmuck an der Tür, drinnen ist alles blitzsauber und riecht sogar noch ganz neu. Auf den ersten Blick fehlt es hier an gar nichts, auf den zweiten an allem. Was soll ich hier fragen, über was reden? Wenn im Sommer der Vater mit 36 nach einem Herzinfarkt gestorben ist, der Blick der Mutter ins Leere geht, die beiden Kleinen im Hintergrund spielen und noch nicht wirklich begreifen, dass ihr Papa nie wieder heimkommen wird.
MM ORF/Ö3
Meinhard Mühlmann ist Ö3-Reporter und Projektleiter „Ö3 für LICHT INS DUNKEL“ („Ö3-Weihnachtswunder“ und „Ö3-Wundertüte“)
Auf Ö3 hört gerade das ganze Land das Ö3- Weihnachtswunder für LICHT INS DUNKEL und meine Frage an die junge Witwe – die einfachste und ehrlichste: Wie geht es Ihnen? „Ich weiß nicht – so wär’s perfekt gewesen: verheiratet, zwei Kinder, Traumhaus. Und jetzt ist alles anders, von einer Sekunde auf die andere. Ich kann’s noch immer nicht glauben, weil mein Mann für mich ein gesunder Mensch war, wir sind noch beim Mittagessen gesessen – und zwei Stunden später war er tot. Das werde ich nie begreifen.“ Millionen Menschen im ganzen Land hören, was die junge Mutter denkt und fühlt – und sie fühlen zumindest einen Moment lang mit, bevor sie wieder ihr eigener Alltag einholt. Sie hören, dass die Welt der Familie quasi stillsteht – und alles auf dem Spiel: Die Zukunft ihrer beiden Kinder, der gemeinsame Lebensplan, nicht zuletzt das neue Haus, das nicht ihnen, sondern der Bank gehört. Und dass plötzlich nicht mal mehr Geld für den täglichen Einkauf oder Kleidung für die Jungs da war, weil sofort das Konto gesperrt wurde.
Sie hören aber auch, dass sich unter der kleinen Familie sofort ein Netz der Hilfe gewoben hat. Die ganze Umgebung da war, die Freunde, die Nachbarn – und auch viele unbekannte Menschen aus dem ganzen Land, die für den LICHT INS DUNKEL-Soforthilfefonds gespendet haben. Der hat ihr zumindest fi nanziell die drückendsten alltäglichen Lasten abnehmen können. Am nächsten Tag sitze ich in einem kleinen Ort in der Oststeiermark mit Sandro in seinem Auto. An sich nicht ungewöhnlich für einen jungen Mann, wenn nicht erst ein aufwendiger Umbau es möglich gemacht hätte, dass Sandro damit zur Arbeit nach Graz fahren kann – denn Sandro sitzt im Rollstuhl. Die ganze Familie hat dafür gespart, Beihilfen der öff entlichen Hand hat es auch gegeben, aber ohne einen Zuschuss von LICHT INS DUNKEL wäre nichts aus dem Traum vom eigenen Auto und der damit verbundenen Unabhängigkeit geworden. Die Erinnerung an seine erste Fahrt teilt er mit der Ö3-Gemeinde: „Das war einfach unglaublich – es war sehr befreiend, nicht mehr auf andere angewiesen zu sein.
Das kann was, einfach herrlich!“ Warum senden wir solche Gespräche? Weil wir uns wünschen, dass die Ö3-Hörer/innen spenden? Ja, auch – weil so tatsächlich schnelle, konkrete, im Moment unendlich wichtige Hilfe möglich wird. Aber noch viel mehr deshalb, weil wir hoff en und drauf zählen, dass diese Gedanken – im besten Sinne des Wortes – Anteilnahme hervorrufen, ein Innehalten und Nachdenken über die eigene Lebenssituation bewirken, in ihrer Gesamtheit nach und nach wacher für die Situation anderer machen, aufmerksamer und mitfühlender. Tagtäglich müssen sich Menschen in unserem Land fordernden Lebensrealitäten stellen, oft ihr ganzes Leben lang, oft beginnen sie schleichend, oft von einer Sekunde auf die andere. Für Familien in sozialen Notlagen macht schnelle Überbrückungshilfe einen entscheidenden Unterschied, für Menschen mit Beeinträchtigungen bedeuten Zuzahlungen zu technischen Hilfsmitteln oder speziellen Therapien nachhaltige Erleichterungen auf dem Weg in ein möglichst selbstbestimmtes Leben.
LICHT INS DUNKEL ist da ein Leuchtturm, der das Dunkel von Ignoranz und Egoismus vertreibt – der hell auf Lebenswelten und Herausforderungen strahlt, die sonst oft im Verborgenen und unbeachtet bleiben. Ein Mahnmal gegen Desinteresse, ein deutliches Signal für die Notwendigkeit und vor allem Selbstverständlichkeit der Inklusion, ein Werkzeug der aktiven Beteiligung der Gesellschaft im Sinne des Miteinander – ein Leuchtturm auf dem Weg in eine gelingende Zukunft. „Das Leben muss weitergehen“ sagt die junge Witwe auf Ö3, „die Kinder sollen ein schönes Leben haben, auch ohne Papa – leider ohne Papa. Es soll ihnen trotzdem gutgehen. Ich werde alles versuchen.“ Und Sandro gibt uns noch mit: „Es ist eigentlich ein altes Prinzip: Meiner Meinung nach sollte jeder ein bisschen für den anderen da sein – dann geht alles!“