Peter Resetarits

Das Dilemma am Spendentelefon
PR ORF
Peter Resetarits ist ORF-Botschafter für LICHT INS DUNKEL und TV-Moderator
Ich habe in meinem Berufsleben eher mit den Schattenseiten des menschlichen Zusammenlebens zu tun. Mit Streit, Konflikten und Delikten aller Art. Es sind eher die Abgründe und Verirrungen der Seele, die mir in Wort und Schrift geschildert werden. Mit der Zeit wird man dann auch misstrauisch. Wittert überall Lüge, Betrug oder Hinterlist.
LICHT INS DUNKEL ist seit Jahrzehnten das Kontrastprogramm für mich. Speziell die Stunden am Spendentelefon haben mir den Glauben an das Gute im Menschen wiedergegeben. Wenn Anruferinnen und Anrufer glaubhaft schildern, selbst nicht viel zu haben, aber das Wenige angesichts der noch ärgeren Not von anderen teilen zu wollen.
Dieser Dienst am Spendentelefon bringt mich – und wohl auch die Kolleginnen und Kollegen – in der Telefonzentrale oft in ein moralisches Dilemma. Da ist jemand in der Leitung, der sich freut, am Heiligen Abend mit wem zu plaudern. Ruft sonst niemand mehr an? Und seit wann ist dieser hilfsbereite Mensch so alleine oder gar einsam? Neben mir sitzt immer ein junger Grundwehrdiener, der Ohrenzeuge vieler solcher Gespräche wird, bei vielen werden die Augen immer größer, weil sie das Leben im Wohlstand gewohnt sind.
Die Spenderinnen und Spender drucksen ein bisserl herum, ob sie „nur“ fünf, zehn oder fünfzehn Euro spenden dürfen. Das ginge sich mit ihrer Pension aus, aber die Heizkosten, die werden immer teurer. Viele Menschen kalkulieren haarscharf, hoffen, dass die Therme oder der Zahnersatz noch durchhält und eh keine unerwarteten Kosten auf sie zukommen. Trotzdem empfinden sie mit jenen Menschen, die auf die Spenden von LICHT INS DUNKEL angewiesen sind und geben, was sie können.
Aber warum bin ich in einem Dilemma? Eigentlich würde ich mit dieser sympathischen Anruferin, diesem großzügigen Anrufer, gerne länger plaudern. Ihnen die Einsamkeit am Heiligen Abend vertreiben. Damit wir die nächsten Spendenwilligen, die bereits in der Leitung warten, betreuen können, sollte ich das Gespräch möglichst bald beenden. Das fällt mir oft schwer, aber ist im Sinne der guten Sache.
Viele Stimmen dieser couragierten Spender habe ich noch tagelang im Ohr. Wenn ich nach dem LICHT INS DUNKEL-Dienst gegen 19 Uhr zur familiären Weihnachtsfeier stoße, schon durch das Fenster das warme Licht im Wohnzimmer sehe und die unbeschwerten Gesichter meiner Lieben, dann bin ich dankbar. Dankbar in einem Land zu leben, in dem vielleicht doch nicht Streit, Konflikte und Delikte dominieren, sondern Großzügigkeit, Nächstenliebe und Mitgefühl.