Weihnachtsdienst

Heiligabend und die Weihnachtsfeiertage sind immer schwierig. Das ganze Jahr über ist die Diensteinteilung bereits eine gehörige Herausforderung, aber bei der Verteilung der Weihnachtsdienste geht’s richtig ans Eingemachte. Alle Mitarbeiter geben Jahr und Tag ihr Bestes, aber an Weihnachten, da will jeder am liebsten daheim mit der Familie unterm Christbaum sitzen. Es nützt nichts, wer sich zum Beruf des Behindertenbetreuers entschließt, ist das ganze Jahr verpflichtet, auch Ostern, Weihnachten und Sylvester. Wo kämen wir hin, wenn man sich lediglich die Dienste herauspicken würde, die einem in den Kram passen? Der hohe Anspruch unseres Berufes ist uns allen sowohl Selbstverständlichkeit als auch Freude und trotzdem ergibt sich jedes Jahr ein Eiertanz um die Weihnachtsdienste.

Die Stimmung im Haus ist zu Weihnachten eine ganz besondere. Von den hier wohnenden behinderten Personen ist nur ein viel kleinerer Kreis anwesend als normalerweise. Einige wenige können aus unterschiedlichsten Gründen Weihnachten nicht mit ihren Familien verbringen und bleiben in der Betreuungseinrichtung. Die ungewohnte Ruhe stimmt alle feierlich. Betreuer kommen in besonderer Stimmung ins Haus, die üblichen Abläufe sind heute mal außer Kraft gesetzt, alles geschieht unter dem Aspekt, dass heute ein ganz besonderer Tag ist. Ein Christbaum muss besorgt, aufgestellt und herausgeputzt werden. Kein leichtes Unterfangen zwischen all den speziellen Verhaltensweisen, die mentale Behinderungen so mit sich bringen. Der Eindruck dieser ganz besonderen Zeit, gepaart mit Aufregung und Übermut, kann schon mal zu kleineren oder größeren Malheurs führen. Doch weder Übelkeit, Stolperschritte, epileptische Anfälle, noch in Fingern steckende Scherben können den geschmückten Christbaum tatsächlich verhindern. Am Ende glitzert und leuchtet es zwischen dem duftenden Grün, je nach Geschick des diensthabenden Betreuers fällt die Dekoration mehr oder weniger geschmackvoll aus. Die Bewohner der Hausgemeinschaft halten sich in ästhetischen Fragen stark zurück, engagieren sich dafür umso energischer für die Wahl des Weihnachtsessens. Würstlsuppe, Schnitzel oder doch Pizza? Heute ist alles vergönnt, was schmeckt!

Mit einfallender Dämmerung geschieht schließlich genau das, was diesen Abend im ganzen Land einen so besonderen sein lässt: Glänzende Augenpaare blicken gebannt auf funkelnde Sterndlspritzer, bunte Packerl werden überreicht, im Hintergrund vertrauten Weihnachtsliedern gelauscht. Menschen sind für kurze Zeit vom Weihnachtszauber berührt, in dieser so besonderen Wohneinrichtung, genau gleich wie in allen Wohnzimmern des Landes.