„In der Weihnachtsnacht sprechen die Tiere“

Blaurackengezwitscher
…vertraute meine Mama mir mit geheimnisvoller Stimme eines Adventsonntags an. Meine Augen begannen zu glitzern, ich glaubte ihr aufs Wort – sie musste es schlussendlich wissen, immerhin war sie Tierärztin!
„Da möchte ich heuer unbedingt dabei sein!“, verkündete mein siebenjähriges Ich voller Tatendrang – wie gut, dass wir einen Hund und drei Katzen hatten! „Das ist leider nicht so einfach, denn wenn die Tiere von Menschen belauscht werden, trauen sie sich nichts zu sagen“, versuchte meine Mama mich von meinem Vorhaben abzubringen, um mir eine vermeintliche Enttäuschung zu ersparen.
Ich tat so, als sei ich traurig darüber, fasste jedoch insgeheim den Entschluss, mein Glück trotzdem zu versuchen. Zu glauben, dass sich Tiere vor Kindern fürchten würden – so naiv konnten doch wirklich nur Erwachsene sein!
In diesem Jahr fieberte ich dem Weihnachtsfest noch ein bisschen mehr entgegen als sonst. Die Tage schienen im Schneckentempo vorüberzugehen und jeden Abend rechnete ich mir aus, wie oft ich noch schlafen müsste, bis das Christkind endlich kommen würde.
Dann war es schließlich so weit! Wie jedes Jahr feierten wir ein wunderschönes Weihnachtsfest – es wurden Lieder gesungen, Gedichte gelesen, Gebete gesprochen und am Ende wurden die Geschenke ausgepackt. Eigentlich war alles so wie immer, nur dass für mich die Bescherung in diesem Jahr eben nicht das Ende war.
Als alle bereits in ihren Betten lagen, schlich ich mich leise aus dem Zimmer. Ich hatte Mitternacht abgewartet, der ideale Zeitpunkt für mein Vorhaben, wie ich fand.
Unser gutmütiger, einäugiger Kater lag auf der Couch im Wohnzimmer. Ich nahm ihn auf den Arm und zu zweit krochen wir unter die Küchenbank, wo sich das Nachtlager unserer Hundedame Simba befand. Behutsam setzte ich den Kater zu ihr – und dann? Dann wartete ich.
Mit dem Rücken an den Tischfuß gelehnt sah ich den beiden zu und lauschte. Ihr glaubt, ich hätte nichts gehört? Da muss ich euch leider enttäuschen! Die beiden hatten sich viel zu erzählen! Sie mussten ihre Schnauzen erst gar nicht aufmachen, ich verstand sie trotzdem.
Die Zeit schien still zu stehen, ich weiß nicht wie lange wir so dasaßen, zu dritt unter dem Küchentisch und mitten in der Nacht in die Dunkelheit lauschten. Überglücklich kletterte ich schlussendlich die Leiter zu meinem Stockbett hinauf und schlüpfte unter die warme Decke. Diese Nacht hatte etwas in mir bewegt – und das spürte ich auch.
Wenn ich mich heute an diesen Abend zurückerinnere, muss ich unweigerlich an ein Zitat von Antoine de Saint-Exupéry denken: Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen – und für die Ohren – unsichtbar.
Ein Grundsatz, an den ich mich bis heute zu halten versuche.