Leprechaun und X-Mas

Lia Pipa
Rund um Weihnachten entwickle ich leicht kitschige Tendenzen. Glitzer, Tannenduft, Lichter und eine laut röhrende Mariah Carey, die “all I want for Christmas is you” zum Besten gibt, sind da keine Seltenheit. Kekse und Glühwein versetzen mich in Verzückung. Wobei, beim Glühwein leide ich unter jährlicher Amnesie. Voll motiviert beim ersten Schluck die Zunge verbrannt, beim zweiten festgestellt, dass das Gesöff viel zu süß ist. Beim Dritten einen Rempler vom Nebenstehenden, der sich vorbeidrängeln will und mir damit die Jacke einsaut. Ab dem vierten Schluck glüht der Wein mit der Kälte der Wangen um die Wette. Ein Aha-Effekt der mich jedes Jahr zur Überzeugung bringt: Viel zu süß, teuer und schnell klesch-kalt. Aber hey, wenn man sich im regen Treiben erstmal eine gute Positionierung erkämpft hat, geht man nicht nach einer Tasse. Nach dem dritten Haferl singe ich (eingebildet) besser als Mariah, die Amateurin, und geh voll auf im Weihnachtsfeeling. C., mein Liebster, hat's hingegen nicht so mit dieser Jahreszeit. Er ist eher etwas ‚grinchy'.
Aber, vor ein paar Jahren hat es uns just vor Weihnachten, für ein verlängertes Wochenende, nach Dublin verschlagen. Ich war noch nie dort und es war traumhaft. Die Iren sind nicht nur ein sehr freundliches, lustiges Volk. Nein. Sie zelebrieren Weihnachten auch auf wunderbare Weise. Bereits beim Bezug unserer Unterkunft war ich komplett geflashed. Unser Zimmer war ausgesprochen gemütlich eingerichtet. Am meisten fasziniert war ich allerdings vom Aufenthaltsraum. Eine Art Wohnzimmer, das auffallend schön dekoriert und richtig behaglich zum Verweilen einlud: Am Abend prasselte im Kamin ein Feuer. Neben einem Flügel aus Holz schmückte ein traumhafter Christbaum den Raum. Ich war so begeistert, dass wir gut und gerne unsere Zeit auch ausschließlich im Hotel verbringen hätten können. Das haben wir natürlich nicht.
Kaum ausgepackt machten wir uns auf den Weg, um die Umgebung zu erkunden. Das Wetter war genau so, wie man überall liest und hört: regnerisch und grau. Das tat der festlichen Dekorierung der Bäume und Gebäude aber keinen Abbruch. Bei unserem Spaziergang kamen wir in ein Einkaufszentrum. Ein Chor, als Wichtel verkleideter Menschen, sang verschiedene Weihnachtslieder. Überall hingen Glitzergirlanden, Lichterketten und große Kugeln von den Decken. Etwas später gingen wir hinab zu einer Bucht. Dort waren viele kleine, weiße Zelte, die auf Plattformen im Wasser schwammen: ein schwimmender Weihnachtsmarkt. Auch in der Jameson Distillery waren die Whiskeyflaschen in Baumform aufgestellt. Eine wundervolle Zeit. Auch C. grinste und strahlte. Ich dachte, dass der Kitsch mittlerweile auch meinen Grinch fest im Griff hatte. Lachend boxte ich ihn in die Seite: “Na, jetzt hat dich die Weihnachtsenergie aber auch erwischt.“ Daraufhin meinte er: “Nein. Ich freu mich, weil du dich so freust. Das ist einfach ansteckend”.