A Christmas Carol

Beate García
Leises Gemurmel. Süßlicher Duft nach Lebkuchen und Glühwein legt sich sanft über den kleinen, aber feinen Zuschauerraum. Meine Freundin Karin und ich strahlen um die Wette. Wie ein kleines Kind fühle ich mich jedes Jahr um diese Zeit, in freudiger Erwartung auf das Stück. Dank Karin haben wir es uns zur feierlichen Tradition gemacht. Die wohl berühmteste Erzählung von Charles Dickens stimmt uns eine Woche vor Weihachten auf den bevorstehenden Heiligen Abend ein.
Das Vienna International Theatre hier in Wien-Alsergrund wirkt richtig heimelig. Mit wenigen Sitzreihen dicht an der kleinen Bühne sind sich Schauspieler und Gäste ganz nah. Endlich gehen die Scheinwerfer an und stellen den bärtigen Erzähler ins Rampenlicht. Es wird mucksmäuschenstill im Publikum - gespannt tauchen wir in ein kaltes, dunkles London im Jahre 1843 ein und warten auf Ebenezer Scrooge. “Marley was dead, to begin with – there’s no doubt about that.„ rezitiert er bedeutungsvoll. “Klingeling” läutet ein goldenes Glöckchen den ersten Akt ein. Kerzenlichter flackern in alten Laternen, die die Bühne säumen. Ich beobachte den lustigen Tanz der kleinen Flammen.
Schreckmoment! Kurz legt sich meine Stirn in Falten. “Habe ich oder hab ich nicht? Ja, ja habe ich.", schiebe ich die Zweifel beiseite.
“A merry Christmas, uncle! God save you!” intoniert der Schauspieler eben, als mir heiß und kalt zugleich wird.
“Nein! Die Kerzen auf meinem Adventkranz brennen noch!" Und plötzlich bin ich mir ganz sicher. Nervös rutsche ich auf meinem Stuhl hin und her. Ich will sofort nach Hause. Panisch flüstere ich Karin zu: „Muss gehen!", quetsche mich durch die engen Sesselreihen, so dicht an der Bühne vorbei, dass die Augen von Scrooge mich direkt und verdattert anblicken. O mein Gott, wie unangenehm.
An der Garderobe erzähle ich der netten älteren Dame von meiner Not. Schnell sucht Sie Mantel, Haube und Handschuhe, drückt mir ein Tannenzweigerl in die Hand und gibt mir ein ermutigendes “Good luck” mit auf den Heimweg. “Merry Christmas!”, ruft sie mir in die kalte Winternacht nach.
So schnell mich meine Beine tragen, laufe ich durch den Schnee. Mein Atem hängt in der Luft, meine Lunge schmerzt, meine Angst überschlägt sich. “Bitte lass die Kerzen aus sein, liebes Christkind! Das ist mein einziger Wunsch für heuer.„ Doch als ich die Treppen der U-Bahn-Station hinauf auf die Straße stürme, sehe ich die Feuerwehr mit Blaulicht vor meinem Wohnhaus stehen. Ganz übel wird mir. Verzweifelt laufe ich zu einem der Feuerwehrmänner und heule Rotz und Wasser. “Is noch irgendwas zu retten?„, schluchze ich. “Wo? Beim verstopften Kanal? Stinken wird´s hoit.", meint der.
Die Einsatzkräfte sind also beim Hotel nebenan beschäftigt. Wie verrückt stürme ich in meine Wohnung. Im Wohnzimmer ist es dunkel. Keine brennenden Kerzen, kein Totalschaden. Nur ein Adventkranz, völlig unversehrt.
Liebevoll stecke ich den Tannenzweig der Garderobendame in den Kranz.
Danke liebes Christkind!