Der großherzige Bub

Ulrima
Weihnachtslieder erklingen aus den Boxen, mein fünfjähriger Sohn ist in sein Spiel vertieft. Als Tänzer schmückt er sich mit Tischtüchern, Läufern und allem Möglichen aus unserem Fundus. Plötzlich stoppt er und kommt auf mich zu.
„Mama im Spiel bist du heute ein armer Mensch und ich teile meine Jacke mit dir!“ Wie fast immer spiele ich mit und lasse mich auf seine Ideen ein. Immer wieder spielen wir die gleiche Situation durch. Ein armes Mädchen, das in der Kälte friert und der herzliche Bub, der ihr ein Tuch umlegt. Dankbar umarmt sie ihn, sie winken sich zu und schwuppdiwupp ist er schon wieder mit dem nächsten Tuch auf dem Weg.
So sitze ich in unserem Wohnzimmer, gut eingekuschelt und zugedeckt mit allen Tischtüchern, die dieser Haushalt hergibt.
Freundlich sagt das arme Mädchen also: „Mein lieber Freund, ich habe schon so viel von dir bekommen und muss nicht mehr frieren, Dankeschön.“ Das lässt sich der liebe junge Mann nicht zweimal sagen und bringt beim nächsten Besuch Essen und Trinken mit. Schnell ist die Kinderspielküche leergeräumt und das Mädchen gut versorgt. So geht das Spiel weiter. Die Beiden freunden sich immer mehr an und plaudern jedes Mal ein Weilchen, wenn der hilfsbereite junge Mann wieder vorbeikommt. Damit das Mädchen sich nicht langweilt, bringt er ihr Stifte und Papier mit. Voller Freude malt sie ein wunderschönes Bild mit Sonnen, Herzen und Blumen, welches sie ihm beim nächsten Besuch schenkt – glücklich darüber ihm auch einmal etwas zurückgeben zu können.
Als Nächstes bringt er ihr eine Tastatur und ein ABC-singendes Auto, damit sie schreiben lernen und sich einmal eine Arbeit suchen kann. Sie bemüht sich natürlich sehr und schon bald schreibt sie ihren ersten Brief an ihren neu gefunden besten Freund.
Als sie ihn einmal bei einem Besuch fragt, warum er das alles für sie macht und so lieb zu ihr ist sagt er: „Das habe ich von meiner Mama gelernt, so ist es das Beste und es macht Freude anderen zu helfen.“
Mir wird ganz warm ums Herz. Ein bisschen steht die Welt gerade still. Die Weihnachtsmusik. Dieses Spiel, das für mich auch fast der Inhalt eines wunderschön berührenden Filmes sein könnte. Wieder einmal die Erkenntnis, wie rein doch die Herzen unserer Kinder sind. All die Liebe, die wir ihnen schenken, die Zeit und Aufmerksamkeit kommt nicht nur zu uns zurück, nein sie tragen sie in die Welt hinaus. Jedes Verständnis, das wir für sie aufbringen, wenn wir ihnen oder anderen helfen, sind wir ein Vorbild für sie. Willst du, dass dein Kind ein guter Mensch wird? Dann sei du dieser Mensch. Willst du, dass dein Kind hilfsbereit und gutmütig ist? Dann sei du es zu ihm und anderen.
Sehr gerührt und stolz spiele ich also weiter. Es folgen noch weitere großzügige Geschenke, eine Einladung ins Haus und ein Heiratsantrag.