Schnee von gestern.

Sanem Keser-Halper
Schnee von gestern.
Alle Jahre wieder … kommt das Christuskind … NICHT.Nicht zu uns. Nein, wir feiern kein Weihnachten.
Jedes Mal Stille und große Betroffenheit, Bestürzung und Mitleid oder Verwunderung und Zweifel an der Glaubhaftigkeit meiner Aussagen.Das konnte doch nicht sein, dass man kein Weihnachten feiert!
Nein, wir haben auch keinen Baum – und auch keine Geschenke.Jedes Mal Stille und große Betroffenheit, Bestürzung und Mitleid oder Verwunderung und Zweifel an der Glaubhaftigkeit meiner Aussagen.
Das konnte doch nicht sein, dass man keinen Baum hat und keine Geschenke bekommt.
Alle Jahre wieder, beginnend mit der Adventzeit, erzählte ich meinen Mitschülerinnen und Mitschülern aus meiner Volksschule dieselbe Geschichte.
Ich konnte ihnen jedoch nie klarmachen, dass es überhaupt nicht schlimm ist, denn wir hatten andere Feste.
Ausserdem gab es die köstlichen Weihnachtskekse, die meine Freundinnen in die Schule mitbrachten und auch die liebe Lehrerin reichte ihre Kostproben durch die Reihen ,… die wunderschönen Weihnachtslieder, die ich nach wochenlangem Singen alle auswendig konnte, …die weihnachtlich dekorierte Auslage vom Spielwaren Beyerl auf der mit Sternenlichtern und Engeln behangenen Linzer Landstraße, … die mit Weihnachtskugeln und Lametta aufgeputzten Weihnachtsbäume an jeder Ecke, … und den Christkindlmarkt mit dem Maronibrater im Volksgarten.
Nach den Weihnachtsferien hatten sich alle Kinder wieder beruhigt. Ich verstand die Aufregung rund um Weihnachten sowieso nie.
In Wirklichkeit war das Christkind das ganze Jahr unter uns und vor allem meine Freundin. Sie hieß Doris, hatte blondes Haar und war seit dem 24. Dezember endlich so alt wie ich.