Weihnachtstanne

Ernst Olschnögger
Vor etwa 30 Jahren pflanzte mein Vater eine kleine, schöne Blaumanntanne vor unserem Haus! Zu Weihnachten bekam die kleine Tanne erstmals eine Weihnachtsbeleuchtung.
Voller Stolz betrachten wir unsere mit Lichtern geschmückte Tanne, besonders mein Vater und seine Enkel strahlten mit ihr um die Wette.
Der Baum wuchs und war nach ein paar Jahren circa eineinhalb Meter hoch. Wir entschlossen uns ein Familienfoto neben diesem schönen Bäumchen zu machen: mit Vater, Mutter, meinen Geschwistern und den Kindern. Als Fotograf fungierte meine liebe Schwiegermutter, die ein absoluter Laie in Sachen Fotografie war. Es wurde ein wunderschönes Foto, nicht zuletzt dank der schönen Tanne.
Die nächsten Jahre waren für unsere Familie eine schwere Zeit, da der Mann meiner Schwester knapp vor dem 50igsten Geburtstag ganz plötzlich an einem Herzinfarkt und zwei Jahre später unser Vater verstarb. Die schöne Tanne ist mittlerweile auf etwa drei Meter Höhe angewachsen. Jedes Jahr wurde sie zu Weihnachten geschmückt, unter der begeisterten Mithilfe meiner Kinder. Sie wuchs und wuchs, wir feierten große Familienfeste in ihrer Nähe und jedes Jahr zur Weihnachtszeit erfreuten wir uns an ihrem Lichterglanz.
Für eine festliche Weihnachtsbeleuchtung ist sie nach einigen Jahren dann leider zu groß geworden. 2014 verstarb meine Mutter zwei Tage vor Weihnachten. Die geschätzte Tanne hat Vater und Mutter überlebt. Die Blautanne ist mittlerweile zu einem riesig großen Baum herangewachsen, sicher 20 Meter hoch. Vor drei Jahren sprach mich der Chef von der Bautruppe unserer Gemeinde auf die Tanne an. Der Bauhofchef sagte, falls ich sie einmal weghaben will, würde die Gemeinde den schönen Baum gerne holen.
Nach den letzten starken Stürmen entschieden wir uns, uns von der Tanne zu verabschieden. Ich kontaktierte den Bauhofchef und er sagte sofort zu! Da wir direkt an der Bundesstraße in einer unübersichtlichen Kurve wohnen, übernahm die Polizei die Sicherung. Pünktlich tauchten die Gemeindemitarbeiter mit einem Kranwagen auf. Der Jüngste des Gemeindetrupps kletterte auf fünf Meter Höhe den Baum hinauf, der Kranwagenführer führt mit gefühlvoller Präzision den Arm des Krans zur Tanne, der Mitarbeiter befestigte im Baum die Seile. Ein Gemeindemitarbeiter stieg mit der Leiter auf ca. drei Meter Höhe hinauf, startete die Motorsäge und fällte die Tanne. Mittels Krans wurde die stattliche Tanne dann auf den LKW gehievt. Die Mitarbeiter der Gemeinde platzierten die Tanne mit viel Gefühl und Sorgfalt auf dem LKW. Dann wurde die Tanne unter Polizeibegleitung zum Rathaus gefahren.
Sie darf jetzt vor dem Rathaus neben der großen Krippe ein letztes Mal mit wunderschönem leuchtendem Baumschmuck erstrahlen. Papa und Mama hätten sicher ihre Freude, wenn sie das ehrwürdige Schicksal unserer Blautanne miterleben dürften. Wer weiß, vielleicht schauen sie lächelnd von Oben auf ihren hell erleuchteten Baum herab.