Menschen und Menschlichkeit

smocky
Es ist ein kalter Wintertag im Dezember ein paar Tage vor dem Heiligen Abend. Es beginnt finster zu werden, doch die kleine Stadt wird von vereinzelten Laternen erleuchtet. Kleine weiße Flocken fallen vom Himmel und bleiben auf dem gefrorenen Steinboden liegen. Eine breite Stiege führt zum Hauptplatz, wo überall kleine Stände aufgebaut. An Ihnen hängen Lichterketten es werden alle möglichen verschiedenen Kleinigkeiten, Kekse und Glühwein verkauft. Zahlreiche Menschen drängen sich zwischen den Ständen und schauen sich mit dampfenden Häferln und Bechern in der Hand die Geschenke an. Am unteren Ende der Stiege steht ein alter Mann, er trägt eine, für die winterlichen Temperaturen viel zu dünne, dunkle Jacke und eine graue gestrickte Haube. Er stützt sich auf einen hölzernen Stock mit einem geschwungenen metallenen Griff und schaut die Stufen nach oben. Er vernimmt leise Gespräche und ausgelassenes Lachen vom Christkindlmarkt. Er setzt seinen Fuß und den Stock auf die erste Stufe und schafft es auch den zweiten Fuß auf diese Stufe zu befördern. So macht er es erneut und steht angestrengt auf der nächsten Stufe. Viele Leute gehen an ihm vorbei, manche laufen fast, telefonieren laut und scheinen es sehr eilig zu haben und ihn gar nicht zu sehen. Andere gehen gemütlich die Stiegen nach oben oder unten, manche sehen ihn an, schauen dann aber schnell wieder weg. Alle gehen weiter, als wollten sie nichts mit ihm zu tun haben. Der alte Mann hat seine besten Jahre hinter sich und sieht sich Hilfe suchend nach jemandem um, der ihm helfen könnte, doch niemand macht Anstalten auf ihn zuzukommen. Es fängt an mehr zu schneien, langsam gibt er die Hoffnung auf die vielen Menschen auf und beginnt wieder Fuß und Stock auf die dritte Stufe zu setzen. Als er den zweiten Fuß nach oben setzen will bleibt er kurz an der Kante der Stufe hängen und kommt ins Schwanken. Er versucht wieder das Gleichgewicht zu finden, hat aber das Gefühl jeden Moment hinzufallen. Da spürt er eine Hand, die sich um seinen Rücken auf seine Schulter legt und ihn stützt. Dankbar sieht er nach links und schaut in das Gesicht eines jungen Mannes. Der alte Mann legt auch seine Hand auf die Schultern des Jungen und durch ihn unterstutzt gehen sie gemeinsam die letzten Stufen nach oben. Am Christkindlmarkt angekommen stehen sie sich gegen über “Danke, dir. Ich wünsche dir frohe gesegnete Weihnachten und einen guten Rutsch", mit diesen Worten dreht der alte Mann sich um und geht langsam weiter. Er war sehr dankbar, in diesem Buben doch Hilfe gefunden zu haben, nachdem er von so vielen ignoriert wurde. Denn wie er leider feststellen muss, wird die Menschlichkeit mit den Menschen, die immer mehr werden, immer weniger.