Vier Lichtbringer an einem Tag

Elisabeth Nemecky
Es begann im Frühjahr 2019. Mein Schwerkranker und stark gehbehinderter Bruder wünschte sich zu seinem Geburtstag im August eine Bahnfahrt. Wie sollte ich ihm diesen Traum erfüllen können? Ich begann einmal im Gedanken die Bahnhofstruktur Wiens mir vorzustellen. Dabei wurde mir bald klar, dass es keinen einzigen Bahnhof gab, der für unsere Situation geeignet war. Also kam ich zu folgender Idee. Ich fahre mit meinem Bruder zu einem Bahnhof außerhalb von Wien. Ich musste also folgende Kriterien durchdenken. Ein Parkplatz in der Nähe vom Bahnhof. Die Gehstrecke nicht länger als 50m und ein Lift in der Nähe. Dies fand ich dann in Absdorf-Hippersdorf. Die nächste Überlegung war dann, wo können wir von dort aus hinfahren, was können wir am Zielort machen, gibt es ein Taxi und ein Restaurant in der Nähe. Meine Auswahl fiel auf Sigmundsherberg. Ich las einmal nach, was es dort überhaupt zu sehen gibt. Ich war begeistert. Gleich in der Nähe ca. 5 Gehminuten entfernt gibt es ein Eisenbahnmuseum. Das war wohl die perfekte Idee für den so Eisenbahninteressierten Bruder. Also meldete ich unseren Besuch dort an.
Dann kam der Tag des Geburtstages. Gespannt aber auch etwas mit Sorge begann ich die Autofahrt nach Absdorf-Hippersdorf. Dort durften wir dem 1. Lichtbringer des Tages begegnen. Der Schaffner war so nett, dass er beim Einsteigen half und wir in aller Ruhe das erste Hindernis gut meistern konnten. Ich war sichtlich erleichtert. Danach konnten wir uns langsam aber sehr mühevoll auf den Weg zum Museum machen. Beim Museum angekommen wurden wir vom Leiter des Museums herzlichst begrüßt und wir bekamen sofort ein Erfrischungsgetränk. Nach einer kurzen Erholungspause begann die Einzelführung nur für uns. Inzwischen kam auch ein Vater mit seiner Tochter vorbei. Das aufgeweckte Mädchen hat sich spontan bereit erklärt, meinen Bruder durch das Museum zu führen. Mit ihrer Sensibilität und Freundlichkeit war sie wahrlich die 2. Lichtbringerin an diesem Tag. Es war die berührendste Museumsführung, die ich je miterlebt hatte. Wir haben dann noch sehr nett mit dem Museumsleiter gesprochen, der uns dann mit dem Auto zum Bahnhof brachte. Dank seiner Freundlichkeit war es für mich der 3. Lichtbringer. Und jetzt kam dann noch die große Überraschung. Der Lokführer sah meinen Bruder und sagte sofort: "Bleiben sie hier stehen, ich fahre mit der Lokomotive einfach nach vorne, dann kann ihr Bruder da gleich einsteigen. Das habe ich so noch nicht erlebet.
Über diesen 4. Lichtbringer war ich so gerührt, dass mir fast die Tränen kamen. Alle meine Sorgen, wie wohl dieser Tag sein wird, waren dahin. In Absdorf-Hippersdorf wieder angekommen, stiegen wir erleichtert und glücklich aus. Auf dem Heimweg machten wir noch eine Mittagsrast in einem Gasthaus. Ich glaube, es war der schönste Geburtstag für meinen Bruder und auch ich bin noch sehr berührt von soviel Mitmenschlichkeit.