WUNSCH

Matrixe
Ja, es ist alles anders. Einmalig anders. Ich könnte jammern und schimpfen. Nein, toben. KÖNNTE ich! Tu ich aber nicht!
Weihnachten war für mich immer mystisch und wunderschön bis zu dem Tag, als mein Vater zu Weihnachten nicht da war. Ausgerechnet Weihnachten hatte er als Zeitpunkt gewählt. Er hatte es einfach so entschieden. Irgendeine seiner zahlreichen Freundinnen war wohl diese Weihnachten “richtiger”. Er hatte nicht mal den Mut, es mir zu sagen, sondern ließ dies meine Mutter erledigen. Ich ging in den Weihnachtsstreik und ließ Weihnachten ausfallen. Ich blieb in meinem Zimmer und weinte. Als Kind. Unvergesslich. Weihnachten war erledigt. Der Zeitpunkt viele Jahre her und ich konnte es nicht mehr genießen. Es erzeugte mir nur Stress, selbst als ich Mutter war, war es unzertrennbar mit meinem Vater verbunden. Mein Vater kam ein Jahr später zurück. Doch Weihnachten hatte seine Freude verloren. Vielleicht war es auch mein Älterwerden. Die Illusion, alles würde immer und ewig so bleiben. Das gibt es jedoch nicht. Heute nach vielen Jahren zeige ich sogar Verständnis für SEINE Entscheidung, Weihnachten nicht mit mir gefeiert zu haben, sondern so, wie ER es wollte.
Jahre später wünschte er sich, dass wir wieder gemeinsam feiern. Später. ICH sagte nein!
Weihnachten 2020 ist anders. Ganz anders. Es fehlt, was wir gewohnt sind. Der ganze Klimbim um das Fest. Die Erwartungen. Die Vorfreude? Ich hatte nie welche. Dieses Jahr aber habe ich genau diese. Ich darf reduziert und pur Freude empfinden. Dankbar sein. All die Jahre dachte ich, wie sieht MEIN Weihnachten aus. Wie wünsche ich es mir?
Ich habe meine Wohnung dekoriert. Die Kekse sind gebacken und gegessen. Vom Glühwein zu viel getrunken. Ich möchte heuer keinen mehr. Der Adventkranz gebunden und vertrocknet. Mein Baum ist weder echt noch tot, sondern aus Plastik - dreiteilig, nadelfrei. Ich trage bereits die Weihnachtsdekoration am Kopf und übe Gedichte. Und das alles mache ich, weil ich es so möchte.
Ich wünsche mir, mit meinen Kindern zu sein, wenn sie es auch wollen und auf keinen Fall müssen. Sie können es frei entscheiden. Wo auch immer sie sein wollen. Ich wünsche mir, jene Menschen um mich, die meine Familie sind. Meine Freunde. Jene Menschen, deren Gesellschaft ich auch sonst genieße. Nicht weil ich muss, sondern weil ich will. Jene, in deren Anwesenheit ich ICH sein kann. Konfliktfrei. Entspannt. Liebevoll. Lustig. Ja, ich kann dabei auch “Stille Nacht” singen in meiner Version oder auch traditionell. Ich kann den Baum bewundern und den Kitsch genießen. Ich kann schenken, ich muss nicht. Ich esse und trinke, was ich will. Ich habe keinen Zeitplan, wann wer wo sein muss. Ich kann ich sein an einem Abend, wo ich gerne nur weglaufen wollte bisher und jetzt zu Hause warte, dass er kommt. Der Stille Abend, der gar nicht so sein wird. Meine Türe bleibt offen für meine Freunde. Meine Türe verschlossen für all das “Müssen” und die Pflicht.
Schöne Weihnachten im Kreise der LIEBE!