San Se prominent?

Muriella
Ich muss gestehen, es war nicht reines selbstloses Heldentum, das mich dazu brachte, die Anfrage positiv zu beantworten. Meine wirkliche Triebfeder war wieder einmal Neugier, die mich schon in so viele Winkel des Lebens geführt hat. Fernsehstudio klingt doch echt spannend, dachte ich, wollte ich doch immer schon gern hinter Kulissen blicken. Die Aufgabe klang überschaubar einfach, telefonieren bekomme ich hin und dabei live in einer Fernsehsendung mitzuwirken, das ist doch bestimmt interessant. Dass die Chose am 24. Dezember stattfindet, liegt in der Natur der Sache und kann selbstredend nicht infrage gestellt werden.
So kam es, dass ich mich zur Licht ins Dunkel Gala auf einem der Telefonplätze inmitten eines großen Fernsehstudios wiederfand. Man hatte uns Verwendung von Headsets und Bildschirmmaske rasch erklärt. Nicht wirklich schwierig, aber trotzdem ein wenig furchteinflößend, schließlich hatten wir hier eine sehr bedeutende Aufgabe! Neben mir saß ein junger Soldat in Uniform, seine tiefroten Wangen zeugten ebenfalls von unübersehbarer Aufregung. Doch viel Zeit für Nervosität blieb uns nicht, rasch wurden uns Anrufe durchgestellt, die wir redlich bemüht bearbeiteten. Kaum hatte sich die ungewohnte Situation eingespielt und ich Gefallen an den durchwegs netten Telefonaten mit spendenwilligen Anrufern gefunden, hieß es plötzlich „Wir machen gleich einen Live-Einstieg -keiner geht mehr von seinem Platz!" Huch, schon wieder heftiges Herzklopfen! Die charmante und sehr bekannte Moderatorin stand unmittelbar neben meinem Telefonplatz, als sie beim Aufflammen der grellen Scheinwerfer ein professionelles Strahlen auf ihrem dick geschminkten Gesicht anknipste. Nach wenigen einleitenden Worten richtete sie einige Fragen an mich, an die ich mich bei bestem Willen nicht mehr erinnern kann. Die Aufregung muss wohl mein Gedächtnis schwer beschädigt haben, ich kann nur hoffen, nicht allzu schlimm gestottert zu haben!
Das kleine Heer an ehrenamtlichen Telefonisten war mit Entgegennehmen von Spenden und Beobachten von den Vorgängen im Studio so schwer beschäftigt, dass die Stunden rasch verflogen. Ich fühlte mich in meinem Tun schon regelrecht professionell als ich am anderen Ende der Leitung eine älter klingende Spenderin hatte. Während ich ihre Daten und die Spende in den PC eintrug, fragte sie völlig unverhohlen: „San Se prominent?“ Ich nannte beherzt meinen gänzlich unbekannten Namen und bedauerte, nicht prominent zu sein. Die Dame verbarg kaum ihre Enttäuschung. „Na ja, macht ja nichts“, tönte es langgedehnt säuerlich an mein Ohr. Genau, dachte ich mir, das macht gar nichts. Wir sind zwar beide nicht prominent, aber doch wichtig genug, um am Heiligen Abend die Welt ein klitzekleines bisschen wärmer zu machen.