Inklusion in Zeiten der Coronavirus-Pandemie
Helmut Reisacher ist Obmann des Vereins „Netzwerk Stellvertreter“ und Bewohner eines betreuten Wohnheimes in Stockerau (Bezirk Korneuburg), in dem es im März mehrere Covid-19-Erkrankte gab. Er schildert im Gespräch mit Alice Herzog, wie Betroffene Schuldgefühle entwickeln, sich zurückziehen und zu Depressionen neigen. „Es waren plötzlich die gewohnten Betreuer teilweise nicht mehr da, viele Bewohner haben die Maßnahmen nicht verstanden oder haben Angst um ihren Wohnplatz.“
Maßnahmen wie Abstandsregeln, Hygiene oder Mundschutz sind in Behinderteneinrichtungen schwierig umzusetzen, erzählt Friederike Pospischil, Präsidentin der Lebenshilfe Niederösterreich: „Es hat natürlich Konflikte und Aggressionen gegeben, die auch aus dem Unverständnis von kognitiv beeinträchtigten Menschen resultieren, die gewisse Maßnahmen einfach nicht nachvollziehen können. Abstandsregeln sind auch ein Platzproblem in den Tageswerkstätten, es kann daher nur eine langsame Öffnung erfolgen.“
Auch Christoph Stieber von der Caritas der Diözese St. Pölten hält es „für die größte Herausforderung, behinderten Menschen den nötigen Schutz zu bieten, aber gleichzeitig ihre Freiheitsrechte zu wahren.“
Isolation sei keine Lösung, meint auch die bekannte ehemalige Behindertensportlerin Claudia Lösch: „Wenn sich jeder an die Maßnahmen hält, ist damit einfach allen sehr geholfen. Dann wird auch das Ansteckungsrisiko für behinderte Menschen gesenkt, und damit wird der öffentliche Raum wieder für alle betretbar.“
Kurt Nekula, der Präsident des Vereins „Licht ins Dunkel“, ruft zum Schulterschluss auf: „Es ist der Einzelne gefordert, aber auch das System, dass niemand vergessen wird. Alle Initiativen, die dazu führen, dass der Kontakt zu behinderten Menschen aufrecht bleibt, sind zu unterstützen, natürlich mit der gebotenen Distanz. Der Verein ‚Licht ins Dunkel‘ wird heuer ganz besonders solche Projekte fördern, die diesen Inklusionsgedanken leben.“