Nikolo, oder Weihnachtsmann?

Almedina
1992 war ein Jahr, dass mein Leben, und seine Richtung für immer verändern sollte. Ich floh mit knapp neun Jahren im Juni nach Österreich. Es war eine Zeit von Umbruch, eine sehr unsichere Zeit. Eine, in der es einem besonders als Kind an Stabilität, einem eigenen Zuhause und größtenteils an freudvollen Momenten gefehlt hat. Ein Abschnitt, in dem mir jede Geste und Zeichen von Menschlichkeit unglaublich bedeutend, und stark in Erinnerung geblieben sind.
Niemals vergisst man einen Freund in der Not. Niemals jemanden, der für einen da war, als man ihn am meisten gebraucht hat. So habe ich auch vieles niemals vergessen, und werde es verbunden mit einem unbezahlbaren Gefühl, für immer Innehalten.
Wir haben direkt nach unserer Herkunft in einer Pfarre gewohnt. Der Pfarrer war ein sehr netter Mensch, so habe ich ihn in Erinnerung. Nicht nur, weil ich wusste, dass ich jedes Mal, wenn ich ihm begegnete Süßigkeiten bekommen würde. Ich mochte die älteren Damen der Kirchengemeinde. Ich habe mich öfter im Pfarrcafé ans Klavier gesetzt, geklimpert und gesungen. Sie haben sich gefreut, auch wenn ich nie Klavier spielen konnte, und mein Deutsch noch nicht singreif war. Ich habe es geliebt, mir in der Pfarrbücherei Bücher und Spiele ausborgen zu dürfen. Es waren einfach Momente, die einerseits Normalität und andererseits noch von viel Nächstenliebe geprägt waren. Der erste Sommer ging vorüber, und der Winter stand vor der Tür. Das erste Weihnachten, dass ich je erlebt habe. Ich war so fasziniert von den bunten Lichtern und von der Atmosphäre.
Und plötzlich kam der Nikolo. Ich war verwirrt, es war doch noch nicht Silvester. Dort, wo ich herkomme, wird Silvester groß gefeiert. Der Weihnachtsmann, oder besser gesagt Väterchen Frost, kommt am 31.12. und bringt den Kindern Neujahrspakete. Ich wusste nichts vom Nikolo, den kannte ich nicht. Er war doch viel zu früh dran! Trotzdem, oder gerade deswegen, ist es ein Erlebnis, dass ich niemals vergessen werde. Wir Kinder haben uns sehr darüber gefreut.
Ich bin nicht katholisch. Nicht christlich. Ich mag Weihnachten. Bestimmt auch aus diesen alten Erinnerungen aus meiner Kindheit. Den Zauber und die Wärme, die ich damals verspürt habe. Die kleinen Dinge, die mein Leben schöner gemacht haben. Die Menschen, die “anders” waren als ich, und trotzdem helfend da waren.
Weil es niemals darum gehen sollte welcher Religion, Herkunft oder welchem sozialen Status ein Mensch angehört. Es geht um den Menschen und seine Taten. Niemals darum, an welchen Gott er glaubt. Wir können jeder für sich glauben, woran wir wollen, und gleichzeitig können wir jeden anderen Glauben und Meinung tolerieren und akzeptieren, auch wenn es vielleicht von unserer eigenen Abweicht. Wem tut es denn weh, wenn dabei niemand zu Schaden kommt? Wären wir kollektiv in der Lage so zu denken, dann wären wir dem Paradiese auf Erden ein Stückchen näher.