Weihnachtliche Einsamkeit

Brigitte Böck
In den letzten Jahren hat die Einsamkeit der alleinlebenden Menschen in meiner Seniorengruppe zugenommen. Durch Tod des Partners, durch weite Entfernungen der Kinder und Enkelkinder ist es für viele alte Menschen schwer geworden, das Fest allein zu verbringen. Sie selbst können weite Strecken nicht mehr zurücklegen. Vor dem Heiligen Abend fürchteten sie sich am meisten.
Ich dachte, ich könnte mit jenen, die ganz allein sind, ein gemeinsames Weihnachtsessen in einem Restaurant organisieren, in dem wir einen Raum ganz für uns haben. Das wurde von den Senioren mit Freude angenommen. Meine Töchter hatten dafür Verständnis und besuchten mich an den Feiertagen.
Wir trafen uns in einem Restaurant am Heiligen Abend um 16 Uhr. Ich hatte zuvor in Absprache ein Buffet bestellt, es kamen 10-12 Senioren. Alle waren festlich gekleidet und jeder hatte eine Kleinigkeit mitgebracht, selbstgebastelte Sterne, Plätzchen, kleine Kosmetika und eine Lichterkette wurde auf den großen runden Tisch gelegt. Wir begannen mit dem Essen, die Freude war in den Augen zu sehen und das wärmte mich. Nach dem Essen wurde die Weihnachtsgeschichte vorgelesen und zwei bekannte Weihnachtslieder gesungen, dann wurden viele Fotos ausgepackt aus Zeiten, in denen die alten Menschen noch jung oder sogar Kinder waren. Nun wurde erzählt und jeder hatte genug Zeit, wie sie es früher erlebt haben. Weihnachtsabende aus dem Krieg, der Nachkriegszeit mit der ganzen Armut. Treffen mit der Familie und von lieben Verstorbenen wurde berichtet. Es war Raum für Tränen und vieles kam den Anderen bekannt vor. Alle bedauerten, wie sich mit zunehmendem Konsum das Fest verändert hat. Auch dass sie kaum noch Post bekamen, nur noch Mails oder WhatsApp. Eine Seniorin sagte, das Fest ist reicher geworden an Glitzer und Geschenken, aber so arm an Gemeinschaft, Liebe, Wärme und Mitgefühl.
Es waren ruhige Stunden, die wir verbrachten, die Gesichter hellten sich auf, man hörte zu und erfuhr so manche Geschichten, die mich noch lange beschäftigten. Einige holten sich vom Buffet noch einen Nachtisch oder etwas zum Knabbern und so verging die Zeit. Um 20 Uhr verabschiedeten sich die Ersten, sie wollten noch gemeinsam in die Christmesse gehen. Andere blieben noch bis 21 Uhr und fuhren entspannt und froh nach Hause.
Ich wurde gefragt, ob wir das im nächsten Jahr wieder so machen könnten, es wäre so schön gewesen. Viele Umarmungen, dankbares Lächeln und ich versprach, wenn ich gesund bleibe, dann wiederholen wir das. So kamen neue Mitglieder dazu, zwei sind verstorben und ein Mann hatte 3 Tage vor Weihnachten seine Frau verloren. Er hat bei dem Treffen sehr geweint und er hat sich vor den Heiligen Abend so gefürchtet, nun fuhr er ein wenig getröstet und zufrieden heim. Auch ich war glücklich, weil es in die Dunkelheit etwas Licht brachte, die ich in meinem Herz mit nach Hause nahm.
Dieses Jahr war es wegen Corona nicht möglich, aber einige zu zweit oder zu dritt verabredeten sich untereinander.