Weihnachten bei Opa

Christine Kämmer
“Muss das Kind denn immer diese Schlagermusik hören?”
Mutter kommt ins Wohnzimmer und hebt die Nadel von der Schallplatte. Opa liegt in seinem Ohrensessel. Er hat die Fußstütze ausgefahren und zieht an seiner Pfeife. Tabakduft steigt mir in die Nase. Opa riecht nach Vanille.
Er stößt eine Rauchwolke aus, kratzt sich an der Glatze und sagt: “Nun lass die Kleine doch.” Ich liege bäuchlings zu seinen Füßen, betrachte das Plattencover, und sage gar nichts.
Ich bin sieben, und ich liebe Udo Jürgens. Denn ich verstehe, was er singt. Wenn Mutter ihre Opern hört, verstehe ich nichts. Egal, ob bei Mozart oder Puccini. Auch Vater hört schöne Melodien mit fremden Texten: Bob Dylan, Joan Baez und die Bee Gees.
Nur bei Opa verstehe ich, was die Musik mir sagen will. Jemand trinkt griechischen Wein oder war noch niemals in New York. Ich kann laut dazu mitsingen. Und wenn ich ganz vorsichtig bin, darf ich sogar die Schallplatte selbst auflegen.
Mutter schüttelt den Kopf und geht aus dem Wohnzimmer. Opa zwinkert mir zu und sagt: “In den Weihnachtsferien bist du ja wieder alleine bei uns. Dann kann Mutti nicht so viel meckern.”
Ich klettere zu ihm in den Ohrensessel. “Darf ich dann auch wieder ein Comicheft lesen?“ Noch etwas, das ich zu Hause nicht darf. Opa stochert mit einem Metallspieß in seinem Pfeifentabak herum. “Aber sicher. Donald Duck, nicht wahr?“ Opa und ich sagen ”Duck”, wie “Puck”. Ich nicke.
Opa streicht mir über den Kopf und hüllt mich in eine Vanillewolke ein. Ich kuschele mich an seinen weichen Bauch und kann es kaum erwarten, Weihnachten am Kiosk ein Lustiges Taschenbuch auszusuchen.