Sprachloser Nikolaus

Silke Wrbouschek
Vor vielen Jahren, als wir noch klein waren, kam jedes Jahr der Nikolaus zu uns nach Hause. Oft fragten wir ihn, warum der Krampus ihn nicht begleitet. Die Antwort lautete immer, weil ihr zwei Schwestern so brav seid, nie streitet und auf eure Eltern hört.
Ehrlich, gestritten haben Schwesterchen und ich uns oft und gerne, im Zurückmaulen ab einer gewissen Altersklasse waren mein Schwesterchen und ich wie viele andere Kinder, großartig. Dennoch, der Nikolaus konnte immer gute Taten aufzählen und eigenartigerweise auch von Erlebnissen berichten, die wir gemeinsam als Familie in diesem besagten Jahr hatten.
Dann kam ein Nikolaustag, der uns allen im Gedächtnis blieb. Schwesterchen und ich stritten uns, wer die Haustüre öffnen darf. Wir warten auf den Nikolaus und es hat an der Haustüre geklingelt. Gegenseitig zogen wir uns immer wieder zurück. “Ich, ich, ich…. ich bin heuer dran!” übertönten wir uns gegenseitig. Unsere Eltern hatten keine Chance einzugreifen. Sie gaben auf und waren gespannt was geschehen wird.
Erneut “Ding-Dong”. Es hallte durch den Flur. Die Vorsichtsmaßnahme, immer zu fragen, wer draußen steht, vergaßen wir beide. Wir rissen die Haustüre auf und in der nächsten Sekunde waren Schwesterchen und ich sowie zwei Freundinnen der Familie still. Für Sekunden war es totenstill, denn plötzlich schepperte es gewaltig vor uns. Der Nikolaus hatte Gesellschaft mitgebracht. Ein Krampus mit großer lauter Glocke sprang über die Schwelle und wir Schwestern, wir Schwestern schrien auf und liefen so schnell wir konnten ins Wohnzimmer und sprangen hinter die Couch. Wir waren nicht mehr gesehen. Vielleicht der Blondschopf von Schwesterchen. Die anderen beiden suchten nach uns, waren aber nicht so ängstlich wie wir.
Erst der Nikolaus konnte uns zwei hinter der Couch hervorlocken. Wir trockneten die Tränen, sahen das hinter der Krampusmaske ein Nachbarsjunge steckte und sahen den Nikolaus gespannt an.
Wieder erzählte der nette Mann mit dem weißen Rauschebart was er von uns wusste. Wieder lächelte er und wir lauschten alle gemeinsam seinen Worten.
Plötzlich wurde Schwesterchen mutig.
“Herr Nikolaus, darf ich dich etwas fragen? ”Natürlich mein liebes Kind. Was möchtest du denn wissen? ”Herr Nikolaus, trägst du immer einen weißen Bart? ”Ja, der schützt mich vor der Kälte, mein liebes Kind. ”Warst du auch beim Nachbarsjungen?” kommt neugierig noch eine Frage. „Ja, weil der Bursche auch ganz brav war übers Jahr" kam die Antwort.
Schwesterchen runzelte die Stirn, überlegte kurz und stellte noch eine Frage.
“Herr Nikolaus du hast ja schon einen weißen Bart und weiße Haare, du bist alt. Was passiert, wenn du stirbst?"
Im Raum war es still. Niemand sagte ein Wort. Der Nikolaus schluckte. War kurz sprachlos und gab leise als Antwort:
“DANN KOMMT EIN NEUER NIKOLAUS!”