Essen für drei

Rana
Es war an einem herrlichen Freitagnachmittag, vor der Corona-Krise. Ich traf mich mit meiner Schwester beim Flohmarkt in der Neubaugasse. Wir gingen langsam über den Markt und obwohl wir ab und an etwas fanden was uns gefiel haben wir nichts gekauft. Später trieb uns der Hunger zum Lokal „Maschu Maschu“ und ich lud meine Schwester zum Essen ein. Wir setzten uns und bestellten. Wie so oft war der Appetit größer als der Hunger und wir waren bei der Hälfte unseres Essens bereits satt.
Von Weitem sahen wir einen alten, gebrechlichen und ungepflegten Herrn, der bei den Gästen um Essen bettelte. Er näherte sich unserem Tisch. Sein Anblick löste in mir Mitleid aus. Ich sah meine Schwester an und bemerkte, wie sich bei ihr die Tränen sammelten. Sie sagte: „Geben wir ihm das Essen!“ und sie reichte ihm einen Teller mit dem, zum Teil, unberührten Essen. Er sah uns ein bisschen skeptisch an. Als er aber bemerkte, dass wir es ernst meinten, streckte er seine Hand aus und nahm den Teller. Er nickte mehrmals dankend und begann mit großem Genuss zu essen. Meine Schwester, die noch immer mit den Tränen kämpfte, deutete auf den freien Stuhl an unserem Tisch. Der Mann zögerte zuerst aber setzte sich schließlich nieder. Er hatte ein breites Lächeln im Gesicht und schüttelte uns herzlich die Hände. Wir schoben ihm noch den Salatteller zu und ein Stück Brot. In der zwischen Zeit richteten sich immer mehr Blicke auf uns. Die meisten Leute waren berührt. Nur der Kellner, so denke ich, war nicht sehr erfreut über unsere Aktion. Eine Frau, die am Nebentisch saß, bemerkte: „Das ist sehr nett von Ihnen! Er hat sicher schon lange nicht mehr so gut gegessen.“ Der alte Herr sah sie an und zeigte auf drei Schälchen mit scharfen Soßen, die auf ihrem Tisch standen. Die Dame reichte sie ihm und er gab etwas von der grünen und schärfsten Soße auf sein Essen. Wir dachten, ihm seien die Soßen bekannt und er ist sich deren Schärfe bewusst. Aber als er mehr und mehr auf das Essen gab, versuchten wir ihn zu warnen. Da er offensichtlich kein Deutsch und auch kein Englisch sprechen konnte, blieben die Warnungen von uns erfolglos. Er lächelte uns nur an und nahm einen großen Löffel, gefüllt mit Hummus und Soße, in den Mund. Leider verging ihm sofort das Lächeln und er schnaubte nur noch. Unser Versuch ihm ein Getränk zu bestellen blieb erfolglos, da der Kellner unseren Tisch mied. Der Herr pickte sich noch die Stücke heraus, die nicht bedeckt waren von der Soße, aß den Salat und das Brot, bedankte sich nochmals mit Kopfnicken und Händeschütteln und ging davon.
Schade, dass er sein Essen nicht bis zum letzten Bissen genießen konnte. Aber vielleicht hatte er schon lange einen Appetit auf diese farbenfrohen Soßen und jetzt wusste er endlich wie sie schmeckten.
Eine Frau kam zu uns und sagte: „Ich bin froh zu sehen, dass es solche Menschen wie Sie gibt!“ Jetzt hatte ich auch Tränen in den Augen. Ich bedankte mich bei meiner Schwester, denn ohne sie wäre der Nachmittag nicht so verlaufen.