Pippi & der tanzende Tannenbaum

Helga Stadler
Pünktlich zum ersten Adventsonntag wurde das große, kolorierte Buch aus dem obersten Regal geholt und zuerst einmal entstaubt. Denn Vorweihnachtszeit in unserer Familie früher bedeutete nicht nur ein grün-duftender Adventkranz, das tägliche Öffnen eines oder – je nach Alter und Trotzphase – gleich aller Türchens des Adventkalenders, Kekse backen, Punsch trinken und besinnliche Lieder singen, sondern auch das (Vor-)Lesen von Weihnachtsgeschichten. Und da es bekanntlich Weihnachten nur einmal im Jahr gibt, umgab diese Geschichten jedes Mal aufs Neue ein ganz besonderer Zauber.
Das absolute Lieblingsbuch meiner kleinen Tochter in diesen Tagen erzählte von einem außergewöhnlichen Heiligabend eines außergewöhnlichen kleinen Mädchens mit Zöpfen aus dem hohen Norden und seinen neuen, wie tierischen Freunden. „Pippi Langstrumpf feiert Weihnachten“ von Astrid Lindgren, ein Text, der erst nach ihrem Tod 2002 zufällig im Archiv der Königlichen-Bibliothek in Stockholm entdeckt wurde und bis heute alle Kinder dieser Welt bezaubert. Täglich saßen wir abends, zusammengekuschelt mit einer Tasse heißem Kakao ausgestattet, und blätterten durch das entzückend illustrierte, märchenhafte Kinderbuch.
Ich begann zu lesen: „Es war Heiligabend, aber nicht alle Kinder waren froh. Frau Larssons Kinder Pelle, Bosse und die kleinen Inga waren allein. Ihre Mama lag im Krankenhaus und ihr Papa, ein Seemann, war weit draußen am Meer. Und so hatten sie keinen Tannenbaum, keine Geschenke und nichts Gutes zu essen“. „Das ist aber soooo traurig, Mami. Kommt jetzt die Pippi und hilft ihnen, nicht wahr?“, fragte meine Kleine immer und immer wieder, als ob sie Antwort nicht längst kennen würde. „Mal schauen“, sagte ich und las weiter, „just in dem Moment trampelte Pippis Pferd über das Treppenhaus und sie klingelten. Herr Nilsson, Pippis kleiner Affe, öffnete die Tür. Mit einem geschmückten Tannenbaum auf dem Kopf trat Pippi ins Zimmer und überraschte die Kinder mit leckeren Süßigkeiten und ganz vielen Geschenken".
Seite um Seite blätternd, erlebten wir mit, wie die Fünf, das Äffchen mittendrin, ausgelassen tanzten – auch der Tannenbaum auf Pippis Kopf wackelte mit –, gemeinsam sangen, feierten und Köstlichkeiten in sich hineinstopften. „Wo sind die Geschenke, warum packen sie die Geschenke nicht aus?“, fragte Miss Ungeduld, die es nie erwarten konnte, bis das erlösende Klingeln des Glöckchens im versperrten Zimmer ertönte und sie hineindurfte. „Schatz, das ist doch das Beste, zum Schluss“, sagte ich versöhnlich. Schon waren wir in Weihnachtsstimmung versetzt und konnten den Abend des 24. Dezember kaum noch erwarten. Und was wäre das Warten aufs Christkind ohne Pippis und Michel aus Lönnebergas lustige Winterabenteuer im Fernsehen?
Würden doch alle Pelles, Bosses und Ingas dieser Welt jemanden finden, der ihnen Gutes tut und sie mit Hoffnung und Liebe überrascht … mein Weihnachtswunsch jedes Jahr an die Welt da draußen!