Vorweihnachts-Weihnachten

Lia Pipa
Es ist der 12. 12. ein ganz besonderer Tag. Denn heute ist Weihnachten vor Weihnachten. Was? Ihr wißt nicht, was das ist? Na, eine ganz besondere Tradition die zwei Kinder entwickelt haben. Jedes Jahr am 12.12. basteln sie gemeinsam auf einem großen Papierbogen einen Weihnachtsbaum. Da wird geschnitten, geklebt, gezeichnet und gemalt. Ein bisschen Glitzer hier, ein wenig Goldstift da, Pfeifenputzschnüre dürfen auch nicht fehlen. Ebensowenig wie goldene, silberne und bunte Weihnachtssticker. Der kleine Bub holt außerdem noch ein Parfum der Mutter um dem ca. einen Meter großen, selbstgebastelten Wunderwerk den letzten geruchlichen Schliff zu verleihen. Wunderschön erstrahlt er nun in bunten Farben vom Kinderzimmerkasten, an den er mit Tixo fachmännisch geklebt wurde.
Weiter geht es mit den Vorbereitungen in der Küche. Irgendwann, mittlerweile fehlt das Wissen wann genau, bekamen die Geschwister kleines, edles Porzelangeschirr geschenkt. Weiß mit blau-grauen Verzierungen darauf. Kleine Tellerchen, ebenso kleine Tassen und eine kleine Teekanne aus Glas. Die Teller werden nun mit Honigbroten, Keksen und Kuchen belegt, bevor sie vorsichtig ins Zimmer getragen werden. Dort finden sie ihren Platz links und rechts neben dem Kassettenrecorder, auf dem Fensterbrett. Doch wo ist der Krug voll Tee? Der Bub holt ihn konzentriert, während das Mädchen die Tassen mitbringt. Was jetzt noch fehlt, ist ein Hörspiel mit wunderschönen Weihnachtsgeschichten, das gekonnt in das Tonbandgerät eingelegt wird. Der kleine Bub nimmt vor der Fensterbank auf seinem Bett Platz. Seine Schwester sitzt am warmen Nachtspeicherofen daneben. Nur der Vorhangstore aus weißer Spitze stört und wird zur Seite geschoben. Ach ja, Mist, vergessen: Das Licht brennt auch noch. Der Junge hüpft auf, dreht die Deckenlampe ab. Plötzlich ist es ganz finster im Kinderzimmer. Gebannt blicken sie nach draußen.
Sie betrachten ehrfürchtig die dicken, weißen Flocken die vom Himmel hinab zur Straße tanzen. Auch draußen ist es schon dunkel. Lediglich Straßenlaternen erhellen die Umgebung. Ebenso wie funkelnde, Lichtgirlanden auf Balkonen und Bäumen. Das Mädchen nickt ihrem Bruder zu und drückt die Abspultaste des Radios. Der Tee riecht wunderbar fruchtig nach Beeren. Der süße Honig tropft und verklebt, wie es seine Bestimmung ist, ihre Finger. Gemeinsam genießen sie die Zeit. Wie wunderbar ist es im kuschelig, warmen zu Hause zu sitzen, während man draußen die klirrende Kälte beobachten kann?