Harfenklänge für die Omama

Helga Stadler
Wir hatten uns lange nicht gesehen, und so wurde am letzten Wochenende in unserem Lehrgang nicht nur Fachspezifisches und theoretisches Wissen vorgetragen und diskutiert, sondern auch über höchst Privates gesprochen, längst verborgen geglaubtes hervorgekramt und mit der kleinen Damengruppe berührende Erlebnisse und Erfahrungen der letzten, für einige auch einsame oder herausfordernde, Wochen geteilt. Eine besonders herzergreifende Geschichte von einer jungen Kollegin und ihrer betagten Oma möchte ich euch nicht vorenthalten, wir im Raum waren danach alle zutiefst und – wie ich finde, auch zu Recht – bewegt:
K., eine höchst sympathische und begabte Harfenistin, in Wien lebend, hatte ihre betagte Oma aus Kärnten, zu der sie eine sehr innige Beziehung pflegt, schon lange nicht mehr gesehen, geschweige denn persönlich getroffen. Um ihr eine besondere Freude zum Adventbeginn zu machen und ihr ihre geliebte Enkelin direkt ins Haus zu liefern, ersann sie, gemeinsam mit ihrem Freund, einem Filmemacher, einen ganz speziellen Adventkalender für sie. 24 kleine Musikstücke mit Heimatliedern, bekannten Kärntner Liedern sowie klassischen und besinnlichen Weihnachtsliedern, die ihre Großmutter besonders mochte, wurden von ihr auf ihrer Harfe gespielt, aufgenommen, inszeniert und in kleine Geschichten verpackt.
Das komplette musikalische Werk ging rechtzeitig mit der Post zur Oma in den Süden Österreichs mit der verbindlichen Auflage, die „Kästchen“ nur einzeln, jeden Tag nacheinander, zu öffnen bzw. abzuspielen. Wie bei einem Adventkalender eben so üblich. Die Oma, eine geistig fitte Dame, versprach es hoch und heilig und ihre Enkelin unterstrich die Dringlichkeit nochmals mit einer kleinen Drohung: „Omama, nicht alle Stücke auf einmal anhören, sonst kommt das Christkind nicht und bringt keine Geschenke!“ Die Oma versprach’s und lachte nur …
Keine 24 Stunden später, meldete sich die Oma bei K. in Wien am Telefon und brachte vor lauter Geheule und Geflenne keinen geraden Satz raus. Erst nachdem sie sich beruhigt hatte, konnte sie alles der Reihe nach erzählen. Natürlich hatte sie schon alle 24 Musikstücke auf einmal angehört, immer und immer wieder, und war zutiefst bewegt wie noch nie in ihrem Leben zuvor. Die Enkelin erkannte ihre sonst so taffe und couragierte Oma nicht wieder und fragte besorgt nach: „Und was ist jetzt mit dem Christkind, das kommt jetzt aber nicht mehr zu dir?!“ Antwort der Oma: „Des Christkindl is ma wurscht, ich hab ja di und deine schene Musik … Des ist des schenste Weihnachtsgeschenk, des ich je kriegt hab …“
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Unsere Kursleiterin, die in ihrem beruflichen wie privaten Umfeld mit vielen alten und hochaltrigen Menschen zu tun hat, fragte diese jetzt vor Weihnachten nach ihrem jeweils größten Wunsch. Die einfache, und auch für uns alle, verblüffende Antwort der Betagten: „Freundlichkeit. Einfach mehr Freundlichkeit der Menschen …“
Wäre doch zu schaffen, nicht wahr?!